Berner Museumsgeschichten

Ein Paukenschlag in der Geschichte der humanitären Hilfe der Schweiz

Humanitäre Hilfe, Neutralität und die Aufnahme von Flüchtlingen dominieren die aktuellen Schlagzeilen, Referenzen an die Geschichte und die humanitäre Tradition der Schweiz werden ins Feld geführt. Ein gewichtiger Meilenstein dazu liegt über 150 Jahre zurück und hat auch im Kanton Bern Spuren hinterlassen. Die Rede ist von der Gewährung des Grenzübertritts und der Internierung der französischen Ostarmee unter General Charles Denis Sauter Bourbaki.

Eigentlich zum Grenzschutz in den Waadtländer und Neuenburger Jura beordert, sahen sich die Schweizer Soldaten einem unermesslichen Elend gegenüber. Ein Meer von verwundeten und vom deutsch-französischen Krieg geschundenen Menschen lag vor ihnen. Frühmorgens am 1. Februar fiel der Entscheid, sie zu entwaffnen und einzulassen. Innerhalb von 72 Stunden wurde über 87'000 Soldaten und 12'000 Pferden der schützende Grenzübertritt gewährt. Das erst 1866 in Bern gegründete Schweizerische Rote Kreuz erlebte seine Feuertaufe und die Zuweisung und Unterbringung der «Bourbakis» in 188 Gemeinden kommt einer logistischen Meisterleistung gleich. Dank dem Zusammenspannen von Politik und Zivilgesellschaft gelang der noch jungen Schweiz ein wahrer Paukenschlag in der Geschichte der humanitären Hilfeleistung.

Eine Pauke der Bourbaki-Armee ist es denn auch, die neben einem Kürassierhelm und weiteren Ausrüstungsgegenständen und Waffen den Weg in die Sammlung von Schloss Thun gefunden hat. Nicht weniger als 4'000 «Bourbakis» wurden Thun zugewiesen, das damals 4'600 Einwohner:innen zählte. Nach Verhandlungen mit den Nachbargemeinden kamen schliesslich 1'900 Soldaten und 1'000 Pferde in Thun unter. Nach ihrer Ankunft spätabends am 2. Februar wurden sie in der erst kürzlich eingeweihten eidgenössischen Kaserne, in diversen Liegenschaften und sogar im Schloss untergebracht. Zusätzlich galt es, Unterkünfte für die Bewachungsmannschaft zu organisieren. Für die Organisation der Unterbringung, die Planung der Tagesabläufe und Arbeitseinsätze war ein Platzkommandant zuständig.

Wie andernorts engagierte sich die Zivilbevölkerung von Thun enorm für die unerwarteten «Gäste». Das Thuner Hilfskomitee sammelte neben Geldspenden 2'196 Kleidungsstücke aller Art, 289 Paar Schuhe und Stiefel, 364 Bett- und Waschleinenstücke, 57 Bettdecken und Matratzen, 31 Flaschen Wein und Rhum, allerlei Schreibmaterialien, Lebensmittel, Bücher, Wolle, Verbandsmaterial und vieles mehr.

An die bislang grösste Aufnahme und Internierung von Kriegsversehrten erinnern nicht nur einzelne Sammlungsbestände in Museen oder allen voran das Bourbaki-Panorama in Luzern. In zahlreichen Gemeinden finden sich Gedenksteine für verstorbene Bourbaki-Soldaten. In Thun wurde dieser 1967 von der unteren Allmend auf den Stadtfriedhof verlegt und auch der «Franzosenweg» im Thuner Lerchenfeldquartier verweist auf die damalige Zeit.

Quellen und zum Weiterlesen:
Rohrbach, Karin: Die «Bourbakis» in Thun - von der Internierung französischer Militäreinheiten im Jahr 1871. In: Jahresbericht Schloss Thun 2014
Online Geschichte des Schweizerischen Roten Kreuzes
Online Geschichte zum Bourbaki Panorama

Schloss Thun